Fossile Trophäen




Ein fossiles Fundstück erzählt dem kundigen Archäologen seine ganze Geschichte, sei es noch so klein: er wird daraus mehr oder weniger mühsam das komplette Tier oder die ganze Pflanze rekonstruieren können. Zusammengebaut steht am Ende einer Trophäe gleich eine plastische Rekonstruktion einer nicht mehr existierenden Spezies im Museum.

Die Trophäe an sich schmückt die Wand des Abenteurers als Symbol des Siegs über die Kreatur, zum Beweis seiner Stärke. Jedes Kunstobjekt könnte die Trophäe des Sammlers sein.



Röhrende Hirsche

Aus sinnlos gewordenen Plastikteilchen und Alltagsgegenständen fügen sich mit viel Geduld andere bereits ausgestorbene Wesen aus dem Bereich der Malerei zusammen: Röhrende Hirsche, als Motiv in Öl oder als mächtiger Zwölfender präpariert und über dem Sofa hängend, als Symbol der Macht des Menschen über die Kreatur. Heute haben andere Dinge die Rolle dieser Hirschtrophäe übernommen und zeigen sich uns als neu verleimte, poppige Wandskulpturen, als moderne Fossilien.













"white trash deer"                                                                                      





Filzfossile

Die Ringel und Hörnchen verschwinden in der Fläche des Bildes, zeigen nur ihre Spitze, oder ihr Ende, wir können unsere Phantasie bemühen, wie das ganze Tier oder Wesen aussehen könnte, wenn es eines gäbe. Offenbar hat die Künstlerin jede Menge davon gesehen.
Plakative Farbgebung durch Reduzierung auf zwei komplementäre Farben lässt sie in den Zusammenhang der anderen gemalten Bilder treten.

Als Erweiterung waren in dieser Serie dreidimensionale Bilder aus Alt-Textilien entstanden, die wie Fossilien aus den vollen Schränken der Menschen „ausgegraben“ wurden und zu neuen „Trophäen“ zusammengestellt werden, ein halber Ärmel, ein Strumpf, ein Hosensaum: alle finden sich neu zusammen und präpariert an einer unvergänglichen Leinwand hängend, einer musealen Ewigkeit harrend.

Dies sind die Gärten eines Trophäensammlers in ihrer harmlosen, weichen Form.






"Fossile Trophäen" aus der Ausstellung "Farbgefilde" Oktober 2012:


Januar 1965
ein gefundenes Foto, bei dessen Aufnahme ich noch nicht dabei war, gibt Anlass zu Spekulationen, dass es ein entscheidender Anlass für meine Existenz gewesen ist.
Ich halte diese Aufnahme in den Händen wie der Archäologe ein soeben ausgegrabenes Fossil: soeben erst erhalten, weiß ich noch nichts genaues von seinem möglicherweise sehr detailreichen Umfeld.
Ich lege die Informationen zusammen wie ein Puzzle, wie das Skelett eines Dinosauriers, und vervollständige es gedanklich mit den Farben meiner Kindheit, als ich das Foto umdrehe und mit Bleistift geschrieben sehe: Januar 1965.


Fais-moi danser
Der „Wackelmann“ ist als fehlerhafte Charge oder sinnlos gewordene Restproduktion in einem 1-Euro-Shop gelandet. Er tut mir leid und ich denke, er hat ein besseres Dasein verdient. Ich behandele ihn wie einen fossilen Knochen: rekonstruiere seine natürliche Umgebung und lasse ihn nun vergnügt im Wasser planschen.


WeiDior:
Einen Lippenstift besitzen und diesen so lange und selten genug verwenden, dass er 5 Jahre hält: da steht man plötzlich im Laden und stellt fest, dass es diese Farbe nicht mehr gibt.
Ich kann nur noch die leere Hülle nehmen und die verlorene Farbe rekonstruieren.



Die Lesende
Sie schwebt in anderen Sphären, sie ist eine Frau des Geistes, eine, die die Gedanken schweifen lässt in eine Zukunft, in der die Existenz ihres Accessoires – eines Buches oder einer Zeitschrift mit fremden Gedanken - auf der Kippe stehen könnte.

Sie ist aus Papier gefertigt, aus dem Material, alten Zeitungen, die ihren Geist beflügeln.
Ihr Leib ist wohlgenährt von all den Buchstaben, deren unterschiedliche Sinnhaftigkeit zu einem Einzigen verschmolzen ist: Das globale Wissen, das Universalgenie, die aussterbende Spezies des Lesers –  ein Denkmal in der fossilen Ecke.

Die Leserin sucht , speichert und navigiert selbst und findet ihr Glück im Denken, schenkt es weiter an den Betrachter, dessen Blick sie einfängt und verschmitzt in die Ferne lenkt.






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